Alles Wichtige zum Thema Kollektivvertrag

Schlagzeilen wie „Einigung bei KV-Verhandlungen“ oder „Mehr Geld und mehr Freizeit für Arbeitnehmer*innen“ rauschten in den letzten Wochen und Monaten aufmerksamkeitsstark durch den Blätterwald. Obwohl dies im „Und jährlich grüßt das Murmeltier“-Modus passiert, ist der Begriff „Kollektivvertrag“ für viele ein großes Fragezeichen. Was regelt der KV eigentlich neben Gehältern und Arbeitszeiten? Welcher Kollektivvertrag kommt wo zur Anwendung und welche Rechtswirkung hat er?  Wir beantworten die 10 wichtigsten Fragen!

1. Was ist der Kollektivvertrag?

Der Kollektivvertrag ist die im Arbeitsverfassungsgesetz geregelte Vereinbarung, die der Gewerkschaftsbund für die Arbeitnehmer*innen mit der Wirtschaftskammer oder einem freiwilligen Arbeitgeberverband abschließt. Der Kollektivvertrag regelt die über das Gesetz hinausgehenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen. Dabei darf der Kollektivvertrag nicht gegen bestehende Gesetze verstoßen.

Um gültig zu werden, muss der Kollektivvertrag nach Abschluss beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz hinterlegt werden. Die Kundmachung erfolgt im Amtsblatt der Wiener Zeitung.

2. Warum ist der Kollektivvertrag für Arbeitnehmer*innen wichtig?

Der Kollektivvertrag legt Rechte und Ansprüche von Arbeitnehmer*innen fest, die gesetzlich nicht geregelt sind. Überdies können im Zuge der KV-Verhandlungen Regelungen vereinbart werden, die günstiger sind als die gesetzlichen Bestimmungen.

3. Was wird in einem Kollektivvertrag geregelt?

Im Kollektivvertrag sind alle Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis geregelt. Hier spielen vor allem Arbeitszeitregelungen und Entlohnung (Einstufung, Mindestlöhne und Mindestgehälter) eine Rolle. Außerdem werden Zuschläge für Schichtarbeit, Feiertagsarbeit, Dienstreisen, Überstunden oder Mehrstunden sowie Gefahrenzuschläge festgelegt. Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) sind ebenso Bestandteile, wie auch Schutzbestimmungen für den Fall der Kündigung und die Regelung von Freizeitansprüchen (z.B.: Übersiedelung, Geburt, Todesfall enger Angehöriger etc.).

4. Welche Rechtswirkung hat der Kollektivvertrag?

Der Kollektivvertrag hat eine Normwirkung und ist somit innerhalb der jeweiligen Branche rechtsverbindlich. Außerdem ist er unabdingbar – d.h. die darin vereinbarten Regelungen dürfen nicht durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Arbeitsvertrag abgeschwächt oder verschlechtert werden. Wenn Sie aber einen Arbeitsvertrag haben, der günstigere Regelungen vorsieht, gelten natürlich diese.

5. Kollektivvertrag vs. Arbeitsvertrag – was gilt, was ist wichtiger?

Für den*die Arbeitnehmer*in ist der individuelle Arbeitsvertrag entscheidend. Darin können Bedingungen bezüglich Arbeitszeit, Gehalt, Pflichten, Überstundenregelungen etc. ausgehandelt werden, die für die*den jeweilige*n Arbeitnehmer*in persönlich gelten.

Eine Stufe darüber befindet sich der Kollektivvertrag, der für eine gesamte Branche gilt. Generell darf der Arbeitsvertrag keine Regelungen vorsehen, die schlechter sind als jene des jeweils zur Anwendung kommenden Kollektivvertrages. Es ist daher empfehlenswert den Kollektivvertrag mit dem individuellen Arbeitsvertrag abzugleichen.

6. Gilt der Kollektivvertrag auch, wenn man kein Mitglied der Gewerkschaft ist?

Die Kollektivverträge gelten in Österreich für alle Arbeitnehmer unabhängig von einer Gewerkschaftsmitgliedschaft.

7. Wie kommt ein Kollektivvertrag zustande?

Die Kollektivverträge werden meist für den Zeitraum eines Jahres abgeschlossen und damit jährlich neu verhandelt. Im Fokus stehen dabei die Anpassungen der Löhne und Gehälter an die gegenwärtige Situation der Arbeits- und Sozialstandards. Diese orientieren sich dabei an der Inflation und an der Entwicklung der Produktivität. Ein neuer Kollektivvertrag ist erst abgeschlossen, wenn eine Einigung zwischen den Verhandlungspartnern vorliegt.

8. Wer verhandelt den Kollektivvertrag?

Auf Arbeitnehmerseite bilden großteils brancheninterne Betriebsräte das Verhandlungsteam. Auf Arbeitgeberseite verhandeln zumeist Unternehmer*innen oder Manager*innen aus den Betrieben der Branche die verhandelt wird. Die Verhandlungsteams werden in der jeweiligen Organisation (Wirtschaftskammer und Gewerkschaften) gewählt und auf beiden Seiten durch die jeweilige Organisation unterstützt. So ist gewährleistet, dass der Branchen-KV von den Branchen-Experten selbst verhandelt wird und die entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse aus der Praxis einfließen können.

9. Warum gibt es unterschiedliche Kollektivverträge?

In Österreich gibt es mehr als 700 unterschiedliche Kollektivverträge, die für mehr als 95 Prozent der unselbstständig beschäftigen Arbeitnehmer*innen gelten. Da mitgliederstarke Gewerkschaften eine wesentlich bessere Verhandlungsposition haben und günstigere Kollektivverträge aushandeln können, bestehen zwischen den verschiedenen Branchen teilweise große Unterschiede. So sind die Kollektivverträge in der Industrie oft vielfach besser als jene im Gewerbe.

10. Kann ich mir meinen Kollektivvertrag aussuchen?

Schön wär’s! Welcher Kollektivvertrag für Sie gilt, hängt davon ab bei welchem Unternehmen und in welcher Branche Sie tätig sind bzw. welcher Fachgruppe Ihr Arbeitgeber bei der Wirtschaftskammer angehört. Diese Zuordnung entscheidet darüber, welcher KV auf das Dienstverhältnis angewendet wird. Der anzuwendende Kollektivvertrag muss im Arbeitsvertrag angegeben sein und in jedem Unternehmen zur Einsicht aufliegen. Zudem können Sie Ihren Kollektivvertrag HIER online einsehen!

Marlene Sturm, Gastautorin
Gastautorin

Ziele nach dem Mond. Selbst wenn du ihn verfehlst, wirst du zwischen den Sternen landen.