Wunschtraum Flexibilität in der Industrie

Flexible Arbeitszeiten, freie Zeiteinteilung oder arbeiten von Zuhause sind die Schlagworte, die heutzutage ganz oben auf der Wunschliste von Bewerber*innen stehen. Die Realität in den heimischen Industriebetrieben sieht hingegen anders aus. Hier heißt es oft: „Homeoffice ist bei uns leider nicht möglich.“

Die Industrialisierung und das daraus entstandene Funktionsdenken haben unsere Wirtschaft stark geprägt. Selbst heute bildet diese Tradition in vielen Fällen immer noch die Basis industrieller Unternehmenskulturen. Von der Fertigung abgeleitete Denkmuster fanden sich viele Jahre auch in der Verwaltung wieder. Genau geregelte Arbeitszeiten, Erreichbarkeit nur während der Dienstzeit, Kaffeepausen zu fixen Zeiten und viele weitere starre Vorgaben waren jahrzehntelange Fixpunkte in der täglichen Routine eines*einer Arbeitnehmer*in in der Industrie. Das Zeitalter der Digitalisierung hat nicht nur bei den Menschen mit Smartphone und Co Einzug gehalten, sondern auch die Industrie nachhaltig verändert. Die Fertigungen wurden automatisiert, die Datenverarbeitung digitalisiert und dennoch sind in vielen hoch innovativen Industriebetrieben die Abteilungsstrukturen und die damit einhergehenden Schnittstellen und Prozesse immer noch gleich wie vor 50 Jahren.

Nun haben sich aber die Gesellschaft und damit der Mensch weiterentwickelt. Die Bedürfnisse nach Flexibilität und mehr Eigenverantwortung sind allgegenwärtig. Dies führt dazu, dass für viele der Wunsch nach flexibler Arbeitszeit bzw. nach „Homeoffice“ ganz normal ist, denn „das sollte doch in unserer digitalen Welt kein Problem mehr sein!“ Warum stehen viele Industriebetriebe dem also immer noch skeptisch gegenüber?

Homeoffice als Stärkung der Arbeitgebermarke

Homeoffice ist weder gesetzlich noch arbeitsrechtlich genau definiert. Üblicherweise bedeutet es überwiegendes oder vollständiges Arbeiten von zu Hause aus. Nur manche Kollektivverträge geben Rahmen für Telearbeit vor, die Anwendung finden können. Alles Weitere ist also offen und bietet Spielraum, um flexible Anforderungen mit den starren Strukturen in Industriebetrieben optimal zu verknüpfen.

Homeoffice kann für Unternehmen viele Vorteile bringen: Eine bessere Einteilung der Arbeitszeit (zum Beispiel für Pendler oder betreuungspflichtige Mütter/Väter), es können die Kosten zum Beispiel für Dienstreisen, Büromieten oder Parkplätze reduziert werden, gleichzeitig kommt es zu einer Steigerung der Produktivität und der Motivation von Mitarbeiter*innen. Das Angebot von Homeoffice und der damit verbundenen Flexibilisierung trägt außerdem zur Wahrnehmung als attraktiver Arbeitgeber bei und damit zu einer Stärkung der Arbeitgebermarke.

Warum wehren sich Industriebetriebe noch oft gegen Homeoffice? Nun, vielen Mitarbeiter*innen ist nicht bewusst, dass Unternehmen einige wichtige Punkte nicht außer Acht lassen dürfen und darüber hinaus in der Steuerpflicht stehen. Hier einige Beispielthemen bei denen Unternehmen zudem beweispflichtig sind: Höchstarbeitszeit, Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot, Datenschutz und -sicherheit, Arbeitsmittel, Arbeitsschutz und Versicherungen. Wen wundert es da, dass sich so mancher Unternehmer davor scheut, das Thema anzugehen.

So nehmen Sie die Hürde Homeoffice mit Leichtigkeit!

Nun klingt das schon fast so, als ob Homeoffice eine unüberwindbare Hürde darstellen würde. FALSCH, es bedarf nur einfach kultureller und organisatorischer Rahmenbedingungen sowie einer klaren Vereinbarung, dann kann Homeoffice wunderbar funktionieren, auch in Industriebetrieben.

In Zeiten des Fachkräftemangels müssen Unternehmen mehr Flexibilität zeigen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben und die richtigen Mitarbeiter*innen zu finden, zu gewinnen und zu binden. Gleichzeitig muss Mitarbeiter*innen bewusst sein, dass es für Homeoffice mehr braucht als nur ein Handy und ein Notebook. Wenn beide Seiten für eine auf Vertrauen beruhende Zusammenarbeit unter der Einhaltung einiger Rahmenbedingungen bereit sind, steht der erfolgreichen Arbeit im Homeoffice nichts im Wege.

Für eine Homeoffice Vereinbarung sollten folgende Punkte bedacht werden:

  • Kulturelle Rahmenbedingungen:
    Es muss eine Vertrauenskultur seitens der Führungskräfte, gepaart mit einem ergebnisorientierten Führungsverständnis vorherrschen. Klar kommunizierte Erwartungen und ein verantwortungsvolles Umgehen des*der Mitarbeiter*in mit der gewährten Flexibilität sind ebenfalls erforderlich.
  • Organisatorische Rahmenbedingungen:
    „Wie wird im Homeoffice kommuniziert?“, gibt es Berichts- und Meldepflichten, wird die Erreichbarkeit intern und für Kunden gewährleistet? Gibt es fixe Meetings mit Anwesenheitspflicht oder einen fixen Tag an dem alle Mitarbeiter*innen im Unternehmen sind? Ist das auch via Video möglich?

Inhaltliche Tipps für eine Home-Office-Vereinbarung:

  • Was versteht man unter Homeoffice (freie Ortswahl, Außenbüro, …)?
  • Umfang (Mindeststunden und Maximalstunden-Anzahl, Anmeldung/Genehmigung notwendig, etc.)
  • An welchen Orten darf im Homeoffice gearbeitet werden (Versicherung?)?
  • Wie werden Meetings geregelt?
  • Arbeitsmittel und Kosten (Bildschirm, Drucker, WLAN, etc.)
  • Arbeitszeit und –aufzeichnung
  • Benachteiligungsverbot (Informationsfluss)
  • Dauer und mögliche Beendigung

*Teile aus der Quelle: Personalmanager Ausgabe 1 – Jänner/Februar 2019

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