Von Profis für Profis – 5 Tipps für ein gelungenes Online-Interview

Von Profis für Profis – 5 Tipps für ein gelungenes Online-Interview

Ein Online-Vorstellungsgespräch war vor der Pandemie kaum vorstellbar, doch nun ist es in der Personalsuche und -auswahl gang und gäbe und wird bei Erstgesprächen sowohl kandidaten- als auch unternehmensseitig häufig bevorzugt. In sozialen Medien wird mit Geheimtipps für einen gelungenen Onlineauftritt und entsprechenden Erfolgsversprechen geworben. Hat die Dynamik von Facebook, Instagram und TikTok nun schon auf Bewerbungsgespräche übergegriffen? Wie können Recruiter*innen damit umgehen und Echtheit von Selbstdarstellung unterscheiden? In unserem Blogartikel erfahren Sie, wie Ihnen ein qualitativ hochwertiges, virtuell geführtes Interview gelingt.

1.    Qualitative Vorbereitung – die Welt der Kandidat*innen verstehen

Egal ob Sie nach Fachkräften, Expert*innen oder Top Management suchen, setzen Sie sich vor einem Interview – wie gewohnt – mit den Unterlagen des/der Kandidaten*in auseinander. Dabei ändert sich nichts im Vergleich zum klassischen Prozess, wenngleich die Vorbereitung zum virtuellen Gespräch möglicherweise noch eine Spur tiefergehend ist. Es geht um exzellentes Verständnis, auf welchen Erfahrungsschatz der/die Bewerber*in zurückgreifen kann und wo genau er/sie Ihrem Unternehmen einen Mehrwert bietet. Diese Vorarbeit müssen wir als HR Expert*innen leisten, um im Online-Gespräch die Kompetenzen durch übergreifende Fragen zu identifizieren.

2.    Transparente Rahmenbedingungen schaffen

Die Bewerbungssituation ist für Bewerber*innen ohnehin einer Prüfungssituation ähnlich, im Online-Gespräch kommt noch die Technik und andere Art des Kontakts „on top“ dazu. Manche von uns meistern solche Situationen sehr gut, andere weniger. Die gute Nachricht ist: es ist eine Übungssache, wie die letzten Monate bewiesen haben. Im Home Office haben wir bereits unterschiedliche Erfahrungen mit virtuellen Meetings gemacht. Alle kennen Situationen, in denen die Verbindung zu langsam und das Gespräch dadurch abgehackt war, das Mikrophon oder die Kamera plötzlich nicht funktionierten oder wenn während des Meetings jemanden an der Tür klingelte. Mittlerweile sind wir gut geübt. Warum sollen wir daher im Online-Gespräch auf die Rahmenbedingungen näher eingehen? Um ein Umfeld zu schaffen, in welchem sich der/die Bewerber*in möglichst echt und authentisch präsentiert. Wenn Sie die „Störfaktoren“ anfangs proaktiv ansprechen, räumen Sie mögliche Missverständnisse aus dem Weg und fördern einen offenen, unbeschwerten Austausch. Sprechen Sie daher die Dinge an, die man im Online-Setup nicht unbedingt sieht, die aber die Dynamik des Gesprächs beeinflussen können. Klassiker wären hier, wenn Sie auf zwei Bildschirmen arbeiten und daher weniger Augenkontakt halten, Ihre Notizen im Laufe des Gesprächs auf dem PC machen und daher im Gespräch am PC tippen oder Hintergrundgeräusche erwarten, die den/die Kandidat*in ablenken können. Auch den Ablauf des Gesprächs im Vorfeld zu schildern hilft zur Orientierung.

3.    Den 100% Fokus dem/der Kandidaten*in schenken

In einem Online-Interview nehmen wir nicht zwingend weniger, aber möglicherweise andere Aspekte als im persönlichen Interview wahr. Lassen Sie sich einfach auf das Gespräch und die Person ein, hören Sie, was gesagt wird und was nicht. Als Recruiter*in müssen Sie in einem über das Internet geführten Interview parallel zur Moderatorenrolle stärker eine andere Rolle annehmen, nämlich die eines/einer achtsamen Beobachter*in. Sie werden echt erstaunt sein, wie sich das Bild des/der Kandidaten*in abrundet und Ihnen das bei der finalen Entscheidung hilft. Bei der online Gesprächsführung heißt es daher, bewusstes Augenmerk auf das Verhalten, Mimik/Emotionen, Aussprache und Authentizität zu legen.
Auch die Frage nach Wechselmotivation gibt viele Zusatzinformationen – verzichten Sie daher nie darauf. Seien Sie hier mutig und haken nach. Um ein Matching herzustellen, müssen Sie genau wissen, wonach ihr*e Kandidat*in sucht und was er oder sie in Ihrem Unternehmen auf keinen Fall vorfinden möchte.

4.    Die richtigen Fragen stellen

Im Online-Gespräch werden Personalberater*innen noch mehr gefordert um die Kompetenzen der Kandidaten*innen zu prüfen. Fachlich übergreifende Fragen bringen Sie ans Ziel. Locken Sie die Kandidat*innen aus der Reserve, lassen Sie sie die prägenden Momente ihrer beruflichen Karriere beleuchten. Dabei sind außer fachlichen Kenntnissen auch die Aspekte wie bisherigen Branchen, Unternehmensgrößen, Organisationsstruktur, sowie Reife des Prozesslandschaft sehr wichtig. Um gezielte Fragen im virtuell geführten Interview stellen zu können, muss man genau wissen, welche Parallelen und welche Unterschiede es zur gesuchten Stelle gibt.

5.    Persönlichkeit & Feedback

Nach der Persönlichkeit, Stärken, Schwächen und dergleichen im Bewerbungsgespräch direkt zu fragen, bringt Sie im Online-Gespräch nicht weiter. Hier ist Raffinesse gefragt. Sie können mehr über Bewerber*innen aus den Schilderungen der konkreten Situationen erfahren, wenn Sie mutige Fragen stellen. Fragen Sie nach einem Umfeld, das er oder sie braucht, nach der Unternehmenskultur, in welchen er oder sie sich entfalten kann, nach Erfahrungen mit den Führungskräften und Teamkolleg*innen, nach ihrem konkreten Beitrag. Geben Sie dem oder der Bewerber*in die Chance, eigene Fragen zu stellen, sie werden die Person leichter einschätzen können. Was ist ihr/ihm wichtig, wonach wird gleich im ersten Gespräch gefragt?
Im Anschluss geben Sie dem/der Bewerber*in ein offenes und transparentes Feedback. Spiegeln Sie ihm oder ihr nicht nur die Stärken wider, sondern zeigen auch jene Stellen klar auf, wo die Kompetenzen und Erfahrungen nicht mit dem Profil übereinstimmen.
Das stärkt die Bindung und das Vertrauen, was wiederum Basis für jeden offenen Austausch ist. In den letzten Monaten haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Resonanz damit sehr groß ist. Auch für uns Personalberater*innen kann das sehr wertvoll sein. Es kann sich dabei die eine oder andere Erkenntnis noch ergeben, die im Gespräch untergegangen wäre.

Fazit

Online-Gespräche fordern Recruiter*innen, sowohl was die Vorbereitung, als auch die Gesprächsführung anbelangt. Obwohl man schnell einen Termin vereinbart und somit an Flexibilität und Schnelligkeit im Prozess gewinnt, sind die virtuell geführten Gespräche eine Königsdisziplin. Wenn man diese Aufgabe qualitativ hochwertig meistern möchte, verlangt es von uns einen soliden Methodenkoffer, kontinuierliche Weiterbildung und eine gesunde Dosis Selbstreflexion.