Insbesondere die Automobilindustrie kann momentan ein Lied davon singen. Nur die Unternehmen, die es schaffen sich erfolgreich zu transformieren werden überleben und in Zukunft ihre Märkte bedienen. Die gesamte Automobilindustrie befindet sich in der größten Transformation ihrer langen und bis dato erfolgreichen Geschichte. Die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebe, Digitalisierung und nachhaltige Produktion müssen zeitgleich erfolgen und erfolgreich gemanagt werden. Der Investitionsbedarf ist daher enorm. Gestiegene Zinsen und strengere Vorgaben der Banken bei der Kreditvergabe erhöhen die Finanzierungskosten.

Erfolgreich ist eine Restrukturierung nur dann, wenn gegebenenfalls eine strategische Neuausrichtung erfolgt und dazu die entsprechenden Maßnahmen im Unternehmen eingeleitet werden. Häufig handelt es sich dabei um den Zwang Prozesse zu optimieren und im Zuge dessen auch Personal abzubauen. Im Rahmen dessen spielt der Betriebsrat eine erhebliche Rolle.

Das Betriebsverfassungsgesetz beinhaltet eine Vielzahl von Normen, die das Unternehmen/den Arbeitgeber verpflichten im Rahmen einer Umstrukturierung den Betriebsrat zu beteiligen. Vorliegend verzichtet der Autor auf eine Ausführung zu den vielfältigen Rechtsproblemen, die im Zuge dessen auftreten können. Eines dieser Probleme sei nur exemplarisch genannt:  Immer wieder entsteht zwischen den Betriebsparteien Streit über die Frage, ob es sich bei der, oder den vom Arbeitgeber geplanten Maßnahmen um eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG handelt.

Um diese Rechtsprobleme und deren möglichen Lösungen soll es in diesem Artikel aber nicht gehen. Deren Lösung wird mit Hilfe von Anwälten und Gerichten immer herbeizuführen sein. Letztlich eine Frage von Zeit und Geld. Die im Rahmen einer Restrukturierung entstehenden Konflikte zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beruhen in den wenigsten Fällen auf Rechtsfragen. Meist geht es, wie so häufig, um Emotionen.

Beide Betriebsparteien fühlen sich im Recht. Vorstände und Geschäftsführer, insbesondere der Unternehmen, die börsennotiert sind, müssen kurzfristig Ergebnisse abliefern. Verständlicherweise erwarten deren Aktionäre am Jahresende eine Dividende. Kurzfristig ist daher eine Verbesserung des Ergebnissituation nur möglich, wenn Personal abgebaut wird. Regelmäßig sind dazu dann „heimlich“ bereits alle Planungen erfolgt, und der Betriebsrat soll dann nur noch, möglichst ebenso kurzfristig, - schließlich drängt die Zeit- einem Interessenausgleich, bzw. einem möglichst günstigen Sozialplan oder, soweit ein Interessenausgleich nicht erforderlich ist, den geplanten Kündigungen zustimmen. So weit, so verständlich aus der Sicht der Unternehmensleitungen.

Kein Wunder aber, dass sich mit einem derartigen Vorgehen die Betriebsräte übergangen fühlen, zumal das Betriebsverfassungsgesetz hier einen wesentlich umfangreicheren Prozess vorsieht. Auch wenn es für Vorstände und Geschäftsführer häufig eine unbequeme Erkenntnis ist, auch in den Betriebsräten sitzen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Unternehmens, die meist über eine sehr lange Unternehmenshistorie und über detaillierte Kenntnis der Prozessabläufe im Unternehmen verfügen. Es mögen nicht alle eine akademische Ausbildung genossen haben, aber auch diejenigen, die „nur“ eine Anlerntätigkeit ausüben oder ausgeübt haben, verfügen über eine gewisse Sachkenntnis. Sobald im Betriebsrat das Gefühl entsteht, dass das Gremium nur eine bereits fertige Planung des Vorstands/der Geschäftsführung abnicken soll, obwohl das Betriebsverfassungsrecht hier eine erhebliche Einflussnahme Möglichkeit des Betriebsrates vorsieht, entsteht Unmut und Widerstand. Verhandlungen werden zum Politikum und ziehen sich in die Länge.

Auch wenn es manchmal den Vorständen und Geschäftsführern schwer fällt die nachfolgenden Punkte zu akzeptieren:

  • die frühzeitige Einbindung des Betriebsrates ist häufig von Vorteil, vermeidet „Verletzungen“, führt zu einer konstruktiven Gesprächssituation, vermeidet die Eskalation und führt schneller zum Ergebnis;
  • auch Betriebsratsmitglieder sind „Persönlichkeiten“ - viele davon sind Mitglied des Gremiums geworden, weil deren Persönlichkeitsstruktur sich nicht von der Persönlichkeitsstruktur derer unterscheidet, die auf Unternehmensseite Entscheidungen zu treffen haben;
  • Empathie ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor – nicht nur in dieser Situation –, grundsätzlich gilt Vorstandsmitglieder und Mitglieder der Geschäftsführung müssen zuhören (lernen). Es lohnt sich, sich ernsthaft mit den Argumenten der Gegenseite auseinanderzusetzen;
  • Vertrauen ist Key – was zugesagt wird muss gehalten werden. Verlässlichkeit schafft Vertrauen.

Abseits aller Rechtsfragen gilt daher: „Wie man in den Walt hineinruft, so schallt es heraus.“

Dr. Gerhard Wagner

Dr. Gerhard Wagner ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und erfahrener Personalleiter. Seit über 25 Jahren begleitet er Unternehmen bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen, Restrukturierungen und der Zusammenarbeit mit Betriebsräten.

Sein Fokus liegt auf der Verbindung von juristischem Know-how und praxisnaher HR-Expertise – insbesondere in transformationsstarken Branchen wie Industrie, Automotive und Maschinenbau.