Wertewandel: Können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht mehr halten?

Die Bereitschaft, den Arbeitgeber zu wechseln, ist in Deutschland so hoch wie selten zuvor. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer möchte nach eigenen Angaben in einem Jahr nicht mehr für ihren aktuellen Arbeitgeber tätig sein, wenn die Umstände bleiben, wie sie sind (Gallup Engagement Index 2020). Viele Mitarbeiter fahren mehrgleisig und sind aktiv auf der Suche nach einer neuen Stelle. Aber die Arbeitnehmer suchen nicht nur fleißig selbst: Auch Recruiter und Berater fragen bei Arbeitnehmern mit hohem Potenzial an, die bei der Aussicht auf eine neue, unter Umständen passendere Stelle ihre aktuelle Situation überdenken.

Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Tür und Angel: Für Arbeitgeber ist es alles andere als ideal, wenn ihre Angestellten an ihrer Zukunft im Unternehmen zweifeln und jederzeit bereit zum Wechsel sind. Doch Unternehmen müssen und dürfen nicht tatenlos dabei zusehen, wie ihre Beschäftigten abwandern. Eine Maßnahme, um die Loyalität von Mitarbeitern zu stärken, ist die emotionale Mitarbeiterbindung, die für Arbeitgeber künftig ein großes Thema sein wird.

Wer sich emotional an sein Unternehmen gebunden fühlt, bleibt länger beim Arbeitgeber und überzeugt mit einer besseren Leistung. Hinzu kommt ein höheres Engagement; der Arbeitnehmer möchte durch intrinsische Motivation und nicht nur finanzielle Anreize das Unternehmen, für das er arbeitet, zum Erfolg führen. Eine fehlende emotionale Bindung führt dagegen zu einer schlechten Performance, häufigeren Fehlzeiten und letztlich zur Kündigung. Empfindet ein großer Teil der Mitarbeiter keine Verbindung zu seinem Arbeitgeber, beeinträchtigt eine hohe Fluktuationsrate die Performance im Unternehmen. Wer nur durch das Gehalt an das Unternehmen gebunden wird, ist aus genau diesem Grund auch besonders offen für einen Wechsel: Winkt ein anderes Unternehmen mit mehr Geld, zögert der Mitarbeiter nicht lange. Aber was bedeutet es überhaupt, emotional an seinen Arbeitgeber gebunden zu sein? Dazu gehört vor allem eine Identifikation mit den Werten und Zielen des Unternehmens, die klar kommuniziert werden müssen. Aber auch ein wertschätzendes Arbeitsumfeld, eine Kommunikation auf Augenhöhe und eine persönliche Beziehung zu Vorgesetzten sind wichtig, damit Arbeitgeber sich nicht nur wie ein austauschbares Zahnrad im Getriebe fühlen.

Aktuell haben nach einer Studie von Gallup ganze 68 Prozent der Beschäftigten keine emotionale Bindung an ihren Arbeitgeber (Gallup Engagement Index 2021). Die Ursache dafür liegt in der Unzufriedenheit mit dem Führungsstil des Vorgesetzten und dem Arbeitsumfeld. Aber warum wird die emotionale Bindung an den Arbeitgeber gerade jetzt zu einem wichtigen Thema?

Bei den Arbeitnehmern, besonders den jungen Talenten der Generation Z, ist ein Wertewandel erkennbar – sie nehmen nicht dankbar jeden Job an und akzeptieren alle Zustände im Unternehmen. Die Gen Z, geboren zwischen 1997 und 2012, möchte von Arbeitgebern aktiv umworben werden. So wie Recruiter und HR-Spezialisten sich Profile der Kandidaten auf Xing und LinkedIn ansehen, so prüfen Bewerber der Gen Z umgekehrt den Ruf des Unternehmens auf Seiten wie Kununu und Glassdoor, in den Google Rezensionen und natürlich auch auf Social Media. Hat die Community wenig Positives über ein Unternehmen zu berichten, lässt den Jobsuchenden das Angebot kritisch hinterfragen. Kommt eine Bewerbung in Frage, dann soll diese nicht aus der Bittsteller-Position erfolgen – auch das Unternehmen sollte merklich daran interessiert sein, den Bewerber von sich zu überzeugen, etwa mit flachen Hierarchien, einer dynamischen Arbeitsatmosphäre, realistischen Aufstiegsmöglichkeiten, attraktiven Benefits und einer ansprechenden Work-Life-Balance.

Bemühen Unternehmen sich aktiv um Mitarbeiter, sollen diese auch kommen, um zu bleiben. Das beginnt schon mit dem Recruiting, wo der Kandidat mit seinen individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften im Mittelpunkt stehen sollte. So finden Unternehmen nicht nur Top-Talente, sondern können diese durch aktives Bemühen, einen spannenden Bewerbungsprozess und die tatsächliche Auseinandersetzung mit deren individuellen Persönlichkeitseigenschaften auch langfristig halten. Die Bemühungen um den Mitarbeiter sollten auch nach dem Recruiting nicht aufhören, und auch die bestehenden Mitarbeiter sollten nicht zu kurz kommen. Das gelingt Unternehmen mit einem laufend empathischen Führungsstil und bewusster Wertschätzung.

Fühlen Sie sich als Arbeitnehmer emotional an Ihr Unternehmen gebunden? Kümmern Sie sich als Unternehmer schon ausreichend darum, dass Ihre Angestellten Ihnen treu bleiben?

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