Wie viel Psychopathie sollte in einer Führungskraft stecken?
Top-Manager*innen und Führungskräfte stehen oft im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sie tragen die Verantwortung für Eigentümer, Organisationen und Teams, sind maßgeblich für den Erfolg oder Misserfolg verantwortlich und treffen schwierige Entscheidungen in herausfordernden Zeiten. Gemeinsam mit Frau Mag. Patricia Staniek BSc haben wir uns im Rahmen eines Workshops die schwierige Frage gestellt, ab wann psychopathische Züge bei Führungskräften gefährlich sind, oder sogar förderlich sein können.
Was ist Psychopathie
Bevor wir uns mit dem Thema auseinandersetzen, wie viel Psychopathie in Führungskräften schädlich oder von Vorteil ist, wollen wir klären, was Psychopathie überhaupt bedeutet: Psychopathie ist eine Persönlichkeitsstörung, die durch Merkmale wie geringe Empathie, mangelnde Reue, Manipulation und das Fehlen von Schuldgefühlen gekennzeichnet ist. Als Ursache dafür geht die Forschung von einer komplexen Kombination von genetischen und umweltbedingten Faktoren aus.
„Richtige Psychopathen verfügen über keine Empathie für andere Menschen. Was sie aber sehr gut können, ist Menschen zu beobachten und taktisch kognitiv empathisch vorzugehen. Das heißt, sie sind hervorragende Schauspieler. Da ihr Angstbereich nur schwach ausgeprägt ist, zeigen sie beim Lügen keine Angst- oder Stressanzeichen. Ihr Trauerbereich ist ebenso nicht wie beim Normalen, hier geht es nicht um menschlichen Verlust, den scheint der Psychopath leicht zu verkraften, hier geht es um den Verlust von Nutzen“ fasst Frau Patrizia Staniek die zentralen Wesenszüge zusammen.
Wichtig ist jedoch zu betonen, dass es verschiedene Grade von Psychopathie gibt – von milden bis hin zu schweren Ausprägungen – und somit auch nicht alle Psychopathen gleich gefährlich oder schädlich für ihr unmittelbares Umfeld sind bzw. kriminelle Handlungen begehen.
Psychopathische Führungskräfte
Auf die Frage hin, ob Führungskräfte mit psychopathischen Zügen für Organisationen oder Unternehmenskulturen gefährlich sind, antwortet Fr. Staniek: „Ja, Psychopathen in führenden Positionen können schädlich für ein Unternehmen sein, müssen aber nicht. Schädigend sind sie dann, wenn ihre Verhaltensweisen nicht erkannt und kontrolliert werden können.“
Einige Studien deuten darauf hin, dass bestimmte psychopathische Eigenschaften in Top-Manager*innen vorhanden sind und in Maßen sogar nützlich sein können bzw. zum Unternehmenserfolg beitragen. Beispielsweise für stark exponierte Verantwortungsbereiche oder im Rahmen von unpopulären, stressbehafteten Unternehmensentscheidungen (z.B. Krisen) können psychopathische Züge in Spitzenpositionen durchaus kein Nachteil sein. Die erhöhte Risikobereitschaft in Kombination mit einem geringeren Trauerbereich und wenig Bedürfnis für persönliche Bindung machen diese Führungskräfte zu rationalen, angstfreien und starken Entscheider*innen.
„Wichtig zu betonen ist, dass nicht alle Menschen mit psychopathischen Zügen einem Unternehmen schaden. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass manche Fähigkeit eines Psychopathen einem Unternehmen zu großem Erfolg verhelfen kann. Wichtig ist jedoch zu unterscheiden, ob wir von einem psychopathischen Stilmittel, einer Tendenz oder tatsächlich einer diagnostizierbaren schadhaften Störung reden“ führt Frau Staniek weiter aus.
„Die positiven Effekte von psychopathischen Stilen dürfen bestehen bleiben, jedoch nur in Kombination mit Mechanismen zur Identifizierung und Prävention von problematischem Verhalten. Die Diagnose, ob jemand Psychopath ist, obliegt hierbei ausschließlich dem Psychotherapeuten oder Psychiater“.
Unser Fazit
Die Frage, wie viel Psychopathie in einer Führungskraft stecken sollte, hat keine einfache Antwort. Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht alle erfolgreichen Top-Manager*innen psychopathische Merkmale aufweisen, und dass psychopathische Eigenschaften in gesundem Maße vorhanden sein dürfen und auch förderlich sein können. Empathie, Integrität und soziale Verantwortung sind jedoch mit Sicherheit die entscheidenden wie auch langfristigen Erfolgsfaktoren nachhaltig erfolgreicher Führungskräfte.
Diese grundlegende Auseinandersetzung mit Psychopathie in der Führungsebene zeigt letztendlich, wie komplex und vielschichtig die Welt der Führung ist. Der Erfolg hängt stets von einer breiten Palette von Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften ab, und es ist entscheidend, dass Führungskräfte ihre Persönlichkeit und ihr Verhalten kontinuierlich reflektieren und weiterentwickeln, um eine positive Wirkung auf ihre Teams und die Organisation zu haben.
To be continued: In einem weiteren, demnächst zur Verfügung stehenden, Blog-Artikel werden wir uns mit der Thematik auseinandersetzen, wie man bereits im Profiling bzw. in der Gesprächsführung mit Kandidat*innen Signale zu psychopathischen oder narzisstischen Persönlichkeitszügen erkennen sowie auf diese entsprechend eingehen kann.